© Lothar Pöhlitz - 14. Mai 2020 - Wer den Hochleistungssport lebt, freut sich, wenn es vorangeht. Auch nach Corona wird es wieder um EM- und Olympia-Tickets gehen. 2019 haben unsere 10000 m Männer einen Schritt nach vorn gemacht, aber nur Amanal Petros hat mit 27:52 die 28:00 Minuten - beim Europa-Cup als Vize - unterboten. Das Weltniveau bleibt weit. In der 10er Bestenliste, im Vergleich zum Vorjahr, finden sich 5 Neue. Warum aber haben sich die 5 ausgeschiedenen nicht verbessert? Unter 31:00 Minuten bei den Frauen und auch im Hindernislauf unter 8:10 Minuten der Männer und damit näher an der Weltspitze, ist im Moment noch Fehlanzeige. Trainieren unsere Langstreckenläufer / Läuferinnen nicht hart genug?
Ansprüche für erfolgreiche EM, WM / OS erfordern Orientierung für Männer und Frauen am Training der Weltbesten und dafür notwendige professionelle Trainingsbedingungen
Im Mittelpunkt des Langstreckentrainings (5000 m / 3000 m Hindernis / 10000 m) standen in der Vergangenheit der Trainingsumfang, lange aerobe Läufe (15 - 25 km) und das wettkampfnahe Training. Die Weltbesten weisen uns aber mit einem anderem, mehr umfangsorientierten Geschwindigkeits- auch Partnertraining - in längeren Höhentrainingsketten, mit höheren Kilometer-Umfängen, öfter crescendo-DL, schnellen Fahrtspielen und auch speziellen Krafttraining (wie ZWL oder BAL) daraufhin, dass deutsche Langstreckenläufer mehr Geschwindigkeit im Trainingsumfang, mehr Qualität, auch Tempogefühlstraining und mehr spezielle Kraft brauchen.
Die Verschiebung der Olympischen Spiele auf 2021 bietet jetzt die Chance zur Verkürzung der individuellen Abstände durch ein zusätzliches Trainingsjahr.
Die aktuellen Weltrekorde stehen bei 26:17,53 bei den Männern und 29:17,45 min bei den Frauen. Bei den Weltmeisterschaften in Doha wurden diese tollen Männer-Ergebnisse erzielt. Das bedeutet auch wir müssen unter 27 Minuten:
Gold |
Joshua Kiprui Cheptegei |
UGA |
26:48,36 min |
Silber |
Yomif Kejelcha |
ETH |
26:49,34 min |
Bronze |
Rhonex Kipruto |
KEN |
26:50,32 min |
4. |
Rodgers Kwemoi |
KEN |
26:55,36 min |
5. |
Andamlak Belihu |
ETH |
26:56,71 min |
6. |
Mohammed Ahmed |
CAN |
26:59,35 min |
7. |
Lopez Lomong |
USA |
27:04,72 min |
8. |
Yemaneberhan Crippa |
ITA |
27:10,76 min |
9. |
Hagos Gebrhiwet |
ETH |
27:11,37 min |
10. |
Shadrack Kipchirchir |
USA |
27:24,74 min |
Deutsche Bestenliste 10.000 Meter Männer
2018 |
|
2019 |
|
27:36,52 min |
Richard Ringer |
27:52,25 min |
Amanal Petros |
28:29,78 min |
Amanal Petros |
28:27,11 min |
Sebastian Hendel |
28:41,75 min |
Philipp Pflieger |
28:28,89 min |
Richard Ringer |
28:44,68 min |
Sebastian Hendel |
28:45,34 min |
Simon Boch |
28:49,53 min |
Timo Göhler |
28:52,03 min |
Samuel Fitwi |
29:07,78 min |
Karsten Meier |
28:54,16 min |
Nils Voigt |
29:24,95 min |
Simon Boch |
28:54,77 min |
Philipp Pflieger |
29:29,09 min |
Florian Orth |
29:04,21 min |
Mohamed Mohumed |
29:44,06 min |
Tobias Schreindl |
29:09,19 min |
Markus Görger |
29:50,61 min |
Johannes Motschmann |
29:12,30 min |
Aaron Bienenfeld |
Die Langstreckenverdichtung spricht für mehr Qualitäts-Höhenketten
Auf den Plätzen wenigstens bis 10 oder einen weiteren Schritt nach vorn für 2021 und auch für später, bedeutet, dass mehr geschwindigkeitsgeführtes Training zwischen 90-110 % vom Renntempo ganzjährig in das Zentrum der Aufmerksamkeit
muss und mehr „Unterdistanz-Trainings-Wettkämpfe schneller“ einzufügen sind. Dazu müssen wir vor allem auf den Langstrecken den Besten in ihre Höhenketten folgen, um in mehr Wochen zu versuchen „ihnen dort immer öfter näher zu kommen“. Da unterscheiden sich die Frauen nicht von den Männern.
Auch dem schnelleren Straßenlauf bis 15 km, mindestens am erreichten Niveau des Jahres 2019 orientiert, natürlich am besten schneller, sollte gegenüber dem Cross der Vorzug gegeben werden, weil damit den Füßen und dem Gehirn der bessere Abdruck nach vorn vermittelt wird. Außerdem kann man - vor allem im Ausland - ein paar Mark – sorry €uro – für das nächste längere Höhentraining dazuverdienen.
Die übliche Differenz in der Leistungsfähigkeit zwischen Männern und Frauen beträgt bekanntlich um die 10%, d.h. die Zwischenziele unter 28 Minuten (5,95 m/s = 2:48 min/km) für Männer sind den unter 31 Minuten für Frauen (5,38 m/s = 3:06 min./km) in etwa gleichzusetzen.
Bei länger andauernder Muskelarbeit wird der Muskel durch den Abbau von Glucose und Fettsäuren mit Energie versorgt. Dabei wird zur Verstoffwechslung der Glucose aus dem Blut (aerobe Glycolyse) und Energiebereitstellung viel Sauerstoff benötigt. Wenn die Glykogenspeicher durch das Lauftempo und langandauernde Belastungen erschöpft sind, steigt der Körper mit seinen Systemen anteilig auf die Fettreserven um. Dabei wird Fett (Triglyceride) aus den Speichern zur Energielieferung freigesetzt, braucht aber Zeit und viel Sauerstoff, der nicht selten - nicht ausreichend vorbereitend aufgebaut - durch die Atmung, durch das Herz-Minuten-Volumen und eine zu geringe Lungenkapazität begrenzt ist.
Dazu sind anspruchsvolle Einwirkungen von etwa 45 - 90 Minuten Dauer im aerob-anaeroben Übergang vorbereitend wichtig.
Für deutsche Läufer gilt aktuell, dass nur ein komplexes Training, bereits im Nachwuchsleistungstraining vorbereitet, alle Systeme zuerst auf ein höheres Niveau bringen muss.
Geschwindigkeit, GA, spezielle Kraft und Trainingszeit
* Wer weiß, dass bei der Doha-WM die ersten sechs unter 27 Minuten blieben, weiß auch welch breite Ausdauergrundlage die in der Höhe lebenden Spitzen - 10000 m - Läufer haben.
* Die 5000 m / 3000 m Hindernisläufer müssen dazu Reserven in der wettkampfspezifischen Leistungsfähigkeit erschließen, d.h. „härter, schneller trainieren“. Auch durch mehr Wettkämpfe auf Bahn und Straße und eine Wettkampfverdichtung im Bereich zwischen 1500 und 5000 m.
* Eine der wichtigste Überdistanzdisziplin für 10000 m sind die 15 km. Die Weltbesten liefen in dieser 15 km Schlüsseldisziplin bereits M: 41:13 (2:45 min/km) und F: 45:37 (3:02 min/km) Minuten
„Um sich auf die 5000 m / 10000 m vorzubereiten muss man die aerobe Kapazität und die Laktatschwelle bis zu ihren maximalen Möglichkeiten trainieren. Das bedeutet solide Grundlagenarbeit, eine starke Betonung des Intervalltrainings und genug Zeit mit Wiederholungs- und Schwellenläufen zu verbringen, so dass Geschwindigkeiten nahe Ihrer aeroben Kapazität angenehm oder zumindest akzeptabel werden.“ (Jack Daniels 2005)
Zum Aufbau einer höheren aeroben Basis, als Grundvoraussetzung für schnelleres Laufen, werden um die 12 Wochen gebraucht. In dieser Zeit werden innerhalb einer systematischen Trainingsumfangssteigerung die Geschwindigkeiten im kurzen – mittleren und langen Dauerlauf als auch in den Intervallprogrammen oder Fahrtspielen und die Strecken schrittweise gesteigert. Ziele in dieser Zeit sind sowohl die individuelle aerobe Schwelle als auch die maximale Sauerstoffaufnahme, also den Laktatbereich zwischen 2-7 mmol/l, zu verbessern. Hat man im Ergebnis des Trainings in der VP I das neue Ziel erreicht, muss darauf aufbauend eine weitere Verbesserung im „Frühjahrssemester“ in der VP II das Ziel sein.
Sind die aerobe Basis und die VO2max auf dem gewünschten Niveau, entscheidet die Summe der möglichen TL-Wiederholungen >95% vom RT-Ziel über die neue Bestleistung.
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Werner Schildhauer 13:12,54 / 27:24,95 min - 2x Silber bei EM 1982 + WM 1983
(Archiv – LCA Foto)
Vielleicht hilft auch ein kleiner „deutscher Qualitäts-Rückblick“. Die Jahrestrainingsanalyse 1983 von Werner Schildhauer. dem Jahr in dem er mit 27:24,95 über 10000 m Deutschen Rekord lief, lässt folgende lückenlose Übersicht über die Anzahl der Wiederholungen in den jeweiligen Geschwindigkeitsbereichen im Verhältnis zur Rekordgeschwindigkeit zu:
|
S A* |
wsA* |
TL1/2 |
Tests/Wk |
|
bis 115 % v. L-Ziel |
> 95 – 105 % |
|
|
vL - Ziel: |
115 % |
100 % |
> 95 % |
|
|
100 m 200m |
400 m 1000 m |
2000 m |
400m 1000 m |
|
14,3 28,6 |
65,8 2:53,1 |
5:46,2 |
|
Wdhlg: |
19 x 157 x |
314 x 54 x |
8 x |
75 x 66 x |
------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Beispiel von Werner Schildhauer im Jahr 1983 (27:24.95) – von seinem Trainer Walter Schmidt überliefert - siehe auch LCA vom 27.8.2009 |
*SA = Schnelligkeitsausdauer bis 115 % v. L-Ziel /
*wsA = Wettkampfspezifische Ausdauer > 95-105 %
* Für alle ist der Trainingsumfang die Grundlage. Im Nachwuchsleistungsbereich orientieren sich Langstreckler mit Spitzenzielen im Jahresdurchschnitt an 130-150 km / Woche, Aktive an 160-180 km/Woche
* Je mehr Sauerstoff der Arbeitsmuskulatur zur Energiegewinnung zur Verfügung steht umso höher ist die Leistungsfähigkeit. Deshalb ist neben der Verbesserung der aeroben Grundleistung (aerobe Schwelle vL-3) auch die Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahmekapazität (VO2max) wichtig. Hier beginnt bereits die notwendige Konzentration auf die Geschwindigkeit oberhalb der aerob-anaeroben Schwelle bis in den vL10-Bereich.
* Im Training ist also der aerob-anaerobe Bereich öfter bis 7 mmol/l wichtig. Durch zunächst kurze TDL oder kurze bis mittlere submaximale Läufe mit kurzen Pausen oder Fahrtspiele mit 3´- 6´ Teilstrecken oder auch Bergantraining ist dieser Trainingseffekt zu erreichen.
* Langstreckenentwicklung setzt voraus, dass man an 3 Tagen pro Woche richtig gefordert wird. Tempodauerläufe im Bereich der Schwelle immer länger (6-8 à 15 km um 3:20 - 3:00 min/km), am besten auf einer Standardstrecke, Tempo-laufprogramme „lang“ (5-9 Minuten) und Unterdistanzprogramme wie 15-20x400 m im 5000m Tempo sind Grundlage für ein darauf aufbauendes wettkampfnahes Training (M: um 2:40-45 min/km – F: um 3:00-05 min/km)
* Für die Langstrecken muss man solange einzelne Streckenabschnitte im Renntempo laufen bis sich die aerobe Schwelle und die VO2max mit diesem Training nicht mehr weiterentwickeln. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die letzten Rennkilometer jenseits der 7,5 km.
* Wettkampfnahes Training entwickelt die spezielle Ausdauer für die jeweilige Zielstrecke, in dem im Vergleich zur angepeilten Spezialstrecke immer längere Teilstrecken, zwischen 95-105 % vom Renntempo-Ziel, möglich werden. Wenn man sich 3-4 Wochen vor dem Jahreshöhepunkt bis zu 75 % der Wettkampfstreckenlänge (Wettkampf oder Test) angenähert hat, ist man dem Ziel nahe. Schnelle 5000 m / 3000 m Hindernis / 10000 m laufen unter Sauerstoffmangel ab, deshalb darf der anaerobe Trainingsaufbau (um vL-8-10) nicht ausgeklammert werden, denn die Laktatverträglichkeit ist für die Wettkampfziele bedeutend.
* Am Analyse-Beispiel von Werner Schildhauer (oben) wird deutlich, dass vor allem die Intensitätsbereiche zwischen 95-115% vom Renntempo für seine Leistungen über 5000 und 10000m wichtig waren.
* Lauftechnik, Laufökonomie und Tempogefühl leisten einen beträchtlichen Beitrag zum möglichst „leicht“ erzielten Wettkampfergebnis. Ganzkörper-Kraft- und Beweglichkeitstraining ganzjährig verhelfen durch einen stärkeren Unterbau zu einer optimalen Lauftechnik über 26-30 Minuten. In diesen Aufgabenbereich gehört auch das spezielle Krafttraining für die Füße.
Trainingsbeispiele: für den Leistungsbereich:
1. DL1: 16 - 25 km um 4,1 m/s (4:04 min/km)
2. DL1/2: 12 - 16 km 4,2 - 4,7 m/s (3:58 – 3:32 min/km)
DL 2/2 6 - 8 - 12 km > 4,7 m/s (> 3:30 min/km)
3. DL-3/TDL 6-8 km / WK > 5 m/s (> 3:20 min/km)
*nach dem DL auch 2-3 x 8-12 Rasendiagonalen oder Steigerungsläufe
Bergan- oder Bahnläufe: 16 - 25 x 400 m, Tp. 90“ + 20 Minuten
Dehnübungen
Bahntraining: 4 - 6 x 1200 m + 3-5 x 200 m
oder 3 x 3000 m - 4000 m Lp. 5´
oder 6-8 x 2000 m Lp: 3-4´
oder Fahrtspiele
z.B. 5 - 6 x 5´- 7´ / Tp: 2 ½ Minuten
Zur Bahnvorbereitung:
1. 5 x 300 m + 10 x 400 m + 5 x 200 m Tp: 30 - 45“/ Sp: 4´
2. 5-6 x 2000 m > 93 % RT - Ziel 10000 m
oder 3x 3000 m
3. 6 – 8 x 1200 m > 95 % RT - Ziel 5000 m, Tp: 2 – 4´
+ 4 x 400 m > 110 % Tp: 400 m
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Eine 2.TE mehrmals wöchentlich sollte um 45 – 60 - 75 Minuten im DL1, wenn nicht anders möglich, am frühen Morgen absolviert werden („Morgenstunde hat für jeden Läufer Gold im Munde“)
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Auch das ist Langstrecken - Leistungstraining
Im nachfolgenden Grafik-Beispiel war Ziel, innerhalb eines sehr anspruchsvollen 15 km Dauerlauf – Trainings die 3 Geschwindigkeitsbereiche schnell – mittel / profiliert – schnell – mittel / flach – schnell bei unterschiedlichen Streckenprofil zu absolvieren. Nach einem ersten 1000 m Lauf (natürlich geht dem ein vorbereitendes Einlaufen voraus) im Beispiel in etwa 5,9 m/s (~ 2:50 min:sec) folgt eine 8 km profilierte Strecke in etwa 5 m/s (~3:20), einem 1000 m TL in 5,7 m/s (~2:55), dem sich ein 4 km flacher DL in etwa 5,3 m/s
Das nachfolgende Grund-Schema eines trainingsmethodischen Vorgehens in einer 10000 m Vorbereitung kann beispielhaft für alle Langstreckler im Aufbau gelten. Dabei werden vom 100% Leistungsziel die Trainingsbereiche abgeleitet.
Fortschritte sind – auch weil das Gehirn programmiert werden muss - vor allem von Trainingseinheiten – im Jahresverlauf aufbauend – im individuellen Grenzbereich (> 93 - 105% aber auch bis 110% v. RT) abhängig. Dabei ermöglichen oder begrenzen individuelle Stärken und Schwächen die Zahl der schnellen Wiederholungen und die gewünschten Anteile des aeroben und anaeroben Trainings. Ziel muss sein, die bisherige Leistungsfähigkeit um 5-10% - zur Wettkampfsaison hin besser mehr - in einzelnen TE zu überbieten. Auf der sicheren Seite ist wer 2-3 Wochen vor Höhepunkten 3 x 3000 m im 10000 m – RT kann.
Zu den wichtigen Rennen hin zu entwickeln:
Basis- Geschwindigkeits- Umfangstraining für 10000 m Leistungen
Nachwuchsleistungstraining und Frauen
- Berechne für Deine Ziele die notwendigen Geschwindigkeiten und ordne sie den vorgegebenen Strecken zu und t r a i n i e r e
„Anpassungen - auch in der Großhirnrinde - werden durch Belastungen im Bereich von 2- 16 Minuten Dauer und bei 90 % der V02max bzw. 110 % der vL-3 und bei Laktatwerten von 5 - 12 mmol/l ausgelöst“ (Dr.H.Buhl - FKS Leipzig 1982) |
Beispiel einer 10000 / 5000 m – Vorbereitung – Leistungsziel 27:25
- mit Höhentraining ins Weltniveau -
*Alle LCA-Artikel von 2006 – 2020 finden Sie im LCA-Archiv
(www.la-coaching-academy.de/Trainingslehre)
© Lothar Pöhlitz 2006-2020
www.la-coaching-academy.de / Trainingslehre
Siehe auch: