Beweglichkeit, Stabilität und Kräftigung der Füße
27. Dezember 2006 (Dr.Dr.Gharavi) - Vogel fliegt, Fisch schwimmt und Mensch läuft. Dieser berühmte Ausspruch von Olympiasieger Emil Zatopek ist uns allen bekannt. Die "Zentrale" des Laufens ist dabei der menschliche Fuß. Im Gegensatz zu vielen Tieren ist der Mensch ein Sohlengänger. Die Belastung für die Füße ist dadurch bei normaler Fortbewegungsart nicht ganz so groß. Ganz anders beim leistungsbetonten Lauf. Nun sind die Füße besonders hohen Belastungskräften ausgesetzt. Eine genauere Betrachtung des "Bewegungsapparates Fuß" scheint mir daher durchaus angebracht.
Grundlagen
Knöcherner Aufbau
Der Fuß im anatomischen Sinne reicht nicht wie im bayerischen Sprachgebrauch von den Zehen bis zur Hüfte, sondern lediglich vom oberen Sprunggelenksspalt ab nach distal. Er besteht aus 21 Knochen, wenn man die zwei Sesamoide der Großzehe mitzählt. Der Fuß lässt sich von proximal nach distal in Rückfuß Mittelfuß und Vorfuß einteilen.
Der knöcherne Rückfuß wird gebildet aus Fersenbein und Sprungbein, genannt Kalkaneus und Talus, welche durch ihre Kommunikationsfläche das untere Sprunggelenk ausmachen. Die Gelenkflächen zwischen Talus, Tibia (Schienbein) und Fibula (Wadenbein) bilden das obere Sprunggelenk. Beide Gelenke werden, wenn es keiner weiteren Differenzierung bedarf, unter dem Begriff „Sprunggelenk" zusammengefasst.
Der Mittelfuß wird gebildet durch die Tarsal- und Metatarsalknochen (Fußwurzel- und Mittelfußknochen). Die Tarsalia sind in zwei Reihen angeordnet. In der proximalen Reihe befinden sich von medial der Os naviculare und der Os cuboideum. Diese zwei Knochen besitzen nicht nur untereinander eine Gelenkfläche. Das Os naviculare artikuliert nach proximal mit dem Talus und nach distal mit den drei Ossa cuneiforma aus der distalen tarsalen Reihe, welche nach weiter distal mit den Zehenstrahlen I - III in Verbindung stehen. Das Os cuboideum kommuniziert nach proximal mit dem Calcaneus und nach distal direkt mit den Mittelfuflknochen der Strahlen IV und V. Dieser Sachverhalt ist besonders wichtig für das biomechanische Verständnis während der dynamischen Belastung, was unter anderem auch im Rahmen des Kapitels über knöcherne Verletzungen deutlich wird.
Die Metatarsalia besitzen jeweils, ähnlich wie die Phalangen im Vorfußbereich auch, am proximalen Ende ihre Basis, am distalen Ende ihren Kopf und dazwischen ihren Körper. Oberflächenanatomisch entspricht die Reihe der Metatarsalköpfchen (MTK) dem Vorfußballen (s. Abb.).
Im Bereich des MTK der Großzehe befinden sich plantar zwei sphärische bis elipsoide Sesambeine, welche der Entlastung des ersten Metatarsalköpfchens, insbesondere während des Ballenganges, dienen. Diese sind wohl ein noch genutztes Relikt aus der phylogenetischen Vierbeinerzeit (s. Abb.).
Der Vorfuß besteht aus den Phalangen. Am ersten Strahl, der Großzehe, werden nur zwei Phalangealknochen unterschieden: ein proximaler und ein distaler Phalanx, welche das Interphalangealgelenk bilden. Die Strahlen II - V besitzen jeweils drei Phalangen: proximal, medial und distal, die untereinander entsprechend je ein proximales Interphalangealgelenk, das so genannte PIP, sowie ein distales Interphalangealgelenk (DIP) bilden. In der Terminologie werden die Gelenke zwischen Mittel- und Vorfuß als Metatarso-Phalangeal (MTP)-Gelenke bezeichnet.
Dieses knöcherne Gefüge wird durch eine Unzahl an derbem, weder flexiblem, noch kontraktilem Bindegewebe, den so genannten Ligamenten, zusammengehalten. In vivo lassen sie sich in den meisten Fällen nicht klar von einander abgrenzen, sodass nur die Faseranteile nach den jeweiligen beteiligten Strukturen benannt werden. Das in dieser Arbeit wichtigste Ligament stellt sicherlich das Ligamentum deltoideum, synonym Ligamentum mediale, mit all ihren Anteilen dar.
Die Verletzungsanfälligkeit von Bändern hängt sehr von ihrer Laxizität ab und weist große individuelle Unterschiede auf. Diese Laxizität lässt sich, im Gegensatz zur muskulären Flexibilität, weder auf-, noch abtrainieren. Insofern hängt die im folgenden Kapitel abgehandelte Beweglichkeit nicht nur vom passiven Halteapparat, sondern ebenfalls vom konditionellen Zustand des aktiven Systems, der Muskeln, ab.
Bei den sogenannten Plattfüßen unterscheiden wir die echten von den funktionellen Formen. Die Unterscheidung geschieht durch die Beobachtung, dass sich beim Ballenstand (Fersen anheben) der Längsbogen wieder aufspannt. Dies ist beim echten Plattfuß nicht der Fall. Solange keine Beschwerden angegeben werden, ist bei der funktionellen Form in der Regel keine Einlage notwendig.
"Im Stand (statische Belastung) verteilt sich die Körperlast gleichmäßig auf Vor- und Hinterfuß. Siehe Abbildung. Im Bereich des Vorfußes liegt die Gewichtung auf den Sesambeine des Großzehenballens.
Die Belastung eines Läuferfußes muss allerdings stets unter dynamischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Der Vorfußläufer weist ein Belastungsprofil auf, welches die Ferse ausspart und den Vorfuß extrem belastet. Prädistinierend für die Reizung von Strukturen, die im Bereich des Ballens in enger Nachbarschaft zu den Knochenköpfchen verlaufen und mit gereizt werden könnten (z.B. Morton's Neurom).
Wenn wir die Belastungen von Rundbahn- und Straßenläufern betrachten, fällt auf, dass die Füße bei Rundbahnläufern ebenfalls unterschiedlich belastet werden. In dieser Abbildung sieht man die Summe der Körperschwerpunkt (KSP)-Verläufe für jeden Fuß bei einem 800 m Lauf. Deutlich sichtbar, die asymmetrische Belastung. Zum Vergleich die Belastung beim Geradeausgang.
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KSP-Verlauf Rundbahn
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KSP-Verlauf Gehen
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von Dr. med. Dr. disc. pol. Homayun Gharavi,
Sportmediziner und Sportwissenschaftler, Direktor der DAASM,
Arzt der LG Domspitzmilch Regensburg (05/2006 - 10/2008)