Die nationale Meetinglandschaft leidet unter Strukturproblemen
7. Oktober 2006 (Ring) – „Es gibt viel zu viele Meetings, leider aber viel zu wenig gute“, sagte einmal Jürgen Mallow, als er noch leitender Landestrainer in Bayern war und sprach da durchaus ein Thema an, das an Brisanz nie verloren hat. Inzwischen hat sich in der Meetingszene einiges getan. Aus einem Wirrwarr von größeren und kleineren Veranstaltungen haben sich inzwischen Kategorien herausgeschält, die durchaus Wert darauf legen, gewisse Standards zu erfüllen. Dabei wird aber immer noch nicht vordergründig in Richtung Förderung der nationalen Spitze gedacht.
Hier und heute soll nun nicht über jene Events gesprochen werden, die im Dunstkreis der IAAF oder der EAA stattfinden, dort gewissen Regularien unterworfen sind und in der Regel der Weltklasse Startmöglichkeiten en masse bieten. Inzwischen gibt sich der Unterbau immer mehr Mühe, sich zu verständigen, nach dem Motto „vereint sind wir stärker“. In Deutschland sind so die German Meetings, in Bayern, noch ein Stückchen darunter die Bayern Top - Meetings entstanden.
Fangen wir einmal bei den German Meetings an. Ein solches zu werden ist gar nicht so leicht. Der Qualitätsanspuch ist recht hoch. Man bedient sich der internationalen Regeln des (Veranstaltungs-)Rankings über eine Punktetabelle. Die Meetings selbst werden von Managern organisiert, die auch die Teilnehmerfelder zusammenstellen. Das Sponsoraufkommen ist beträchtlich, meist im sechsstelligen Euro-Bereich. Dies hat natürlich Folgen fürs Starterfeld. Die Güte des Feldes will und kann sich selten an der Klasse der nationalen Elite orientieren, einzige Zielsetzung ist, die Leistungsgüte der einzelnen Disziplinfelder zu verbessern. Der Sieg selbst steht nicht im Vordergrund. Nationale Eliteathleten/Innen kommen je nach Veranstaltung hier unter, auch unter Verzicht auf irgendwelche finanzielle Zuwendungen. Für junge Anschlussathleten/Innen gibt es B-Wettbewerbe. Die Zwänge der Meetings über Fernsehzeiten und Sponsorenverpflichtungen sind im Hintergrund gegeben, die Gestaltungsmöglichkeit durch Trainer relativ gering, die Einflussnahme durch den DLV nur sehr früh im Vorfeld möglich.
So wird denn das Hauptaugenmerk auf das Athletenmanagement gelegt, ohne Rücksicht auf die Nationalitäten. Wünsche der Trainer zwecks Terminplanung sind schwer durchsetzbar. Nicht gemanagte Athleten/Innen haben es schwer, in die Wettbewerbe hineinzukommen. Die Meetings selbst kämpfen mit regem Publikumszuspruch, weil die Weltklasse meist nur ein bis zwei Kategorien höher zu rekrutieren ist und Fachpublikum nicht in vorzeigbaren Massen angelockt werden kann. Natürlich brauchen diese Veranstaltung von Jahr zu Jahr immer wieder „Frischfleisch“, am besten nationales. Das wächst aber auch nicht zu auf den Bäumen, braucht Praxis, um überhaupt präsentierbar zu sein.
Sich bei regionalen bzw. LV- Meisterschaften „zu bemühen“ ist für viele eine Möglichkeit, die andere eine One-man-show, mit dem Ziel, eine gute Leistung bei Provinzevents abzuliefern. Der Entwicklung der/des Athleten/In dient das nur bedingt und an der Schwelle zum „zu gut für die Provinz und (noch) zu schlecht für die Einladungsveranstaltungen“ scheitern viele hoffnungsvollen Nachwuchstalente.
Die Verbände reagieren darauf mit Fördermeetings und LV-Vergleichswettkämpfen. In Bayern sind zumindest aus den Förderwettkämpfen die „Bayern Top - Meetings“ entstanden, bei denen Anschlussklasse gebündelt werden soll, leistungsgleiche Konkurrenz immer mehr entsteht und freie Teilnahme uneingeschränkt möglich ist. Zuschauer kommen deswegen natürlich auch kaum. Dies fällt in der Regel aber meist nicht auf, weil die hohen Teilnehmerfelder das Meeting zum echten Familienfest, nämlich das der Leichtathletikfamilie machen. Gelingt dann auch noch über regionales Kleinsponsering eine sinnvolle Investition in die Organisation und Moderation,, entsteht ein durchaus erlebenswertes und leistungsförderndes Meeting für die zahlreich Beteiligten.
Wünschenswert wäre es, diese bisher hauptsächlich auf Landesebene begrenzten Meetings im Regionalverbund (z.B. Bayern + Thüringen + Württemberg) oder auch unter Einbeziehung grenznaher „Ausländer“ anzubieten. Dies hat sich in Belgien bereits gut entwickelt. Ein Ansatz in diese Richtung war die Domspitzmilch-Gala in 2006 Regensburg, bei der es gelang, neben Top-Rennen C- und D-Läufe bzw. Nachwuchswettbewerbe zu platzieren und am Ende zwischen 20-22 Uhr auch noch die 10.000 m-Läufer/Innen sehr zahlreich um Bestzeiten kämpften. Eine Möglichkeit, die im Veranstaltungs-Deutschland schon Seltenheitscharakter hat, aber äußerst leistungsfördernd war.
Diese Veranstaltung am 1. Juni diese Jahres 2006 entstand aus verschiedenen besonderen Umständen heraus. Erstens hatte das Event durch die anstehenden Europacupqualifikationen plötzlich einen Teileinladungscharakter durch den DLV, zweitens den Nebeneffekt des absoluten Wettbewerbscharakters, unabhängig der Leistung, rein vor allem auf den Sieg ausgerichtet. Befürchtungen einiger Insider, vor allem aus Managerkreisen, man würde am Ende lediglich mit den zwei, drei vom DLV eingeladenen nationalen Topleuten (pro Disziplin) und einer mehr oder weniger großen Schar von Nobodys vor leeren Rängen eine schale Leistungsshow im minderen Bereich erleben, bewahrheiteten sich nicht. Die Anschlussathleten/Innen, meist managerfrei und über ihre Vereine gemeldet, strömten in so großer Zahl in die Domstadt, dass die Veranstalter vor den magischen Zahl 1000 einen Aufnahmestopp vollziehen mussten. Am Tag selbst fühlte sich dann Deutschlands Leichtathletikelite so herausgefordert oder auch mitgerissen, dass ein Feuerwerk an Bestleistungen entstand vor immerhin über 3000 Zuschauern. Aus wem sich die zusammensetzten, spielt eigentlich keine Rolle. Randbemerkung dazu: viele, sogar sehr viele Topathleten/Innen stellten ihr entgangenes Antrittsgeld nicht in der Vordergrund sondern äußerten spontan: „Wir kommen wieder“.
Was ist nun an dieser Domspitzmilch Gala bezüglich der weiteren Zukunft so nachdenkenswert? Der Versuch nationale Spitze via Einladung mit Anschlussspitze via Meldung zu verbinden ist voll aufgegangen. Es ist machbar, A-B-C- Läufe dem Publikum zu präsentieren, wenn dies zeitlich geschickt mit „Vorprogramm“ und „Hauptprogramm“ geschieht. Der Großteil des Publikums kann damit umgehen, weil es sich zum großen Teil um „Fachleute“ handelt. Den Faktor Stimmung konnte man über die im Vorprogramm teilnahmeberechtigte „Rahmenwettbewerblern“ im Hauptprogramm auf einen akustisch messbaren Level heben. Die wo anders so dringend benötigte Ausländerpower wurde nur sporadisch, den deutschen Bedürfnissen entsprechend, eingesetzt. Die einheimischen Heroes standen im Mittelpunkt. Es ging um was, in erster Linie um den Sieg. Das hat den Leistungsdurchschnitt nicht geschmälert.
Regensburg ist sicher so nicht „eins zu eins“ nachzumachen, weil es eine so hohe Einladungsquote seitens des DLV in Richtung eines Großevents zum Nutzen einer Veranstaltung nicht oft geben wird. Der Einladungsanteil könnte durchaus aber von einem Managementproportium ersetzt werden, überall in Deutschland, zum Nutzen der deutschen Leichtathletik. Der Angst, die nötigen Ranking-Punktzahlen nicht mehr erreichen zu können, kann entgegengehalten werden, dass die Domspitzmilch Gala nach Aussage von DLV Manager Siegfried Schonert locker mit seinen Leistungen hätte mithalten können.
Festzuhalten ist:
Unser nationales Wettkampfsystem muss zugunsten „aller leistungsorientierten“ Athleten/Innen überarbeitet und neu geordnet werden. Ziel ist der Leistungsfortschritt in allen Altersbereichen.. Altersübergreifenden Wettkämpfe mit leistungsgleichen Jugendliche und Erwachsenen, Frauen mit Männern, müssen forciert werden.
Ein Regionalkonzept mit vernünftigen Reisewegen ist zu entwickeln. Der DLV hat dazu schon die ersten Schritte eingeleitet.
Die „Meisterschaftssucht“ auf den unteren Ebenen (Kreis/Bezirk) muss eingedämmt werden. Das Ansammeln von wertlosen, weil konkurrenzlos erkämpften Kreis-/Bezirksmeistertiteln ist nicht leistungsentwickelnd.
von Kurt Ring
Meetings Scoring - Outdoor 2006
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